SwissSkills Teilnehmende: Junge Menschen, die für etwas brennen!
Was zeichnet SwissSkills Teilnehmende aus? Erhöht Talent oder harte Arbeit die Chance auf einen Medaillengewinn? Wie entwickeln sie sich nach den Meisterschaften weiter? Was motiviert junge Menschen an den SwissSkills teilzunehmen? Prof. Dr. Margrit Stamm forscht in den Bereichen der Begabung und der Qualität der Berufsbildung. In Ihrer letzten Studie «die SwissSkills als Sprungbrett» nimmt sie die besten Schweizer Berufsleute unter die Lupe.
Frau Stamm, wie würden Sie die SwissSkills Teilnehmenden beschreiben? Was unterscheidet sie von anderen Jugendlichen?
Es sind junge Menschen, die ein besonders grosses Berufsinteresse haben, die vorwärtskommen wollen und die über ein gutes Selbstbewusstsein verfügen. Ganz wichtig sind auch die überfachlichen Kompetenzen. Oft wird unterschätzt, was für eine Herausforderung es bedeutet, wenn jemand drei Tage an einem Wettbewerb bestehen muss. Viele Teilnehmende haben angegeben, dass die SwissSkills sie insbesondere in folgenden überfachlichen Kompetenzen geschult hat: Stressresistenz, Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz, Hartnäckigkeit und Zeitmanagement.
Mehr Vorbereitung erhöht die Chancen auf einen Medaillenplatz, so Ihre Studie. Haben wir hier einen Beweis für das Sprichwort «Übung macht den Meister»?
Die Expertise-Forschung zeigt tatsächlich, dass Übung eine wichtige Rolle spielt. Die Aussage «Übung macht den Meister» ist aber irreführend. Viele denken dabei an Übungen aus der Schulzeit, z.B. eine Zahlenreihe oder ein Gedicht auswendig lernen. Die meisten von uns wissen, dass uns dies nicht sehr weit bringt. Ein solches Üben ist banal und langweilig. Doch die Expertise-Forschung zeigt: Üben auf einem hohen Niveau, mit einem Mentor oder einer Mentorin, verspricht Erfolg. Entscheidend ist, dass die Aufgabe genügend schwer ist, so dass sie uns fordert und motiviert. Ich gehe davon aus, dass genau dieses Üben auf hohem Niveau auch bei den SwissSkills Medaillengewinner/innen stattgefunden hat.
SwissSkills Teilnehmende haben viel Zeit in die Vorbereitungen investiert, was teils auch mit grossen Entbehrungen z.B. im sozialen Bereich verbunden ist. Was sagt und dies über die Jugend?
So etwas wie die Jugend gibt es nicht, denn wir haben es hier mit ganz vielen verschiedenen Gruppen zu tun. Die SwissSkills Teilnehmenden sind sicherlich eine ganz spezielle Gruppe. Es sind junge Menschen, die für etwas brennen. Sie sind das beste Beispiel dafür, dass wir an junge Menschen glauben können, was wiederum der Vorstellung widerspricht, dass alle junge Menschen sehr berechnend sind und immer nur nach dem Lohn und den Ferien fragen. Wobei es diese Art von Jugendlichen sicher auch gibt.
Unter den SwissSkills Medaillengewinner/innen befinden sich Personen, die einen mittleren bis schlechten obligatorischen Schulabschluss aufweisen. Gleichzeitig hatten viele auch genügend gute Noten, um das Gymnasium zu besuchen. Kann man daraus schliessen, dass Noten nichts aussagen?
Ich vertrete nicht die Meinung, dass Noten nichts wert sind. Wir haben nun einmal ein Schulsystem mit einem Selektionsmechanismus, bei dem Beurteilungen eine wichtige Rolle spielen. Aus der Forschung wissen wir aber auch, dass Noten immer Verzerrungen aufweisen. Meine Botschaft ist deshalb: Wir sollten nicht NUR auf Schulnoten setzen, sondern junge Menschen breiter erfassen. Beispiele hierfür sind, dass Assessments mehr Raum zugesprochen wird und junge Menschen auch gefragt werden, was sie ausserhalb der Schule machen, was sie fasziniert und wo sie sich engagieren. Ganz wichtig sind auch die überfachlichen Kompetenzen, die ich zuvor erwähnt habe.
Daraus lässt sich auch eine andere wichtige Erkenntnis ableiten: Nach wie vor herrscht die Vorstellung, dass es zu wenig gute Leute für die Berufsbildung gibt, weil alle begabten Jugendlichen ans Gymnasium gehen. Doch man müsste nur seine Scheuklappenperspektive etwas öffnen. Schaut man nicht nur auf die Noten, dann finden sich viele junge Leute mit grossem Potential – das man allerdings entwickeln und fördern muss.
Sollten Noten darüber entscheiden, ob ein Jugendlicher oder eine Jugendliche ins Gymnasium geht?
30% der SwissSkills Medaillengewinner/innen hatten sehr gute Noten und hätten auch ans Gymnasium gehen können. Dies zeigt, dass junge Leute sich bewusst für eine Berufslehre entscheiden und sich dort auch entfalten.
Die Gleichung: Gute Noten gleich Gymnasium ist noch immer weit verbreitet. Dies ist aber problematisch. Viel wichtiger ist die Frage, wie Noten zustande kommen und welche Neigungen junge Menschen haben. Schreibt dieser Schüler oder diese Schülerin wirklich gute Noten, weil er oder sie den Stoff spannend findet? Oder sind es die Eltern, welche ihrem Kind jeden Tag helfen?
Was sind die positiven Effekte einer Teilnahme an den SwissSkills?
Die Teilnehmenden berichten, dass die SwissSkills sie vor allem persönlich weitergebracht haben und der Anlass für sie eine grosse Genugtuung war. Neben der menschlichen Entwicklung sind auch die Karriereschritte ein Jahr nach den SwissSkills erstaunlich: Viele haben weitere Preise gewonnen, Weiterbildungen absolviert und erhalten mehr Lohn.
Solche positiven Effekte müssen in das Wissen um die Karrieremöglichkeiten in der Berufsbildung einfliessen. Deshalb sollten die SwissSkills in die Berufswahl integriert werden. Insbesondere die Eltern können so erkennen, dass es nicht nur den gymnasialen Weg gibt, bei dem ihre Kinder mit 25 Jahren einen Uni-Abschluss haben. Sondern, dass es auch junge Menschen gibt, die mit gerade einmal 23 Jahren nicht nur voll im Berufsleben stehen, sondern hier auch bereits eine modellhafte Berufslaufbahn hingelegt haben und auch zeigen können, wie man sich weiterentwickelt!
Gibt es eine Möglichkeit, um sicherzustellen, dass diese positiven Effekte auf die SwissSkills zurückzuführen sind und nicht nur dadurch entstehen, dass SwissSkills Teilnehmende eine Selektion von besonders motivierten Jugendlichen sind?
Auf Grundlage der Erhebungen kann man dies nicht feststellen. Für mich steht aber ausser Frage, dass die SwissSkills ein ideales Instrument sind, um junge Menschen zu kitzeln und das Beste aus ihnen herauszuholen. Ein Instrument, das nicht auf die extrinsischen Motivatoren setzt, wie wenn jemand sagt: «du musst dies oder das tun, um Karriere zu machen», sondern ein Instrument, das die innere Motivation weckt.
In Ihrer Studie schreiben Sie, dass auch Betriebe davon profitieren, wenn ihre Lernenden bei den SwissSkills teilnehmen. Wieso?
SwissSkills Teilnehmende bleiben den Betrieben und auch der Branche länger treu. Zudem entwickeln sich diese Leute weiter und professionalisieren sich, was auch dem Betrieb zugutekommt.
Wie genau können junge erfolgreiche Berufstätige – insbesondere SwisSkills Medaillengewinner und -gewinnerinnen – als Vorbilder und Modelle eingesetzt werden?
Die Berufsfindungsphase verschiebt sich immer mehr nach vorne. Ehemalige SwissSkills Teilnehmende sollten deshalb bereits in der obligatorischen Schule eingesetzt werden, um die Schüler und Schülerinnen in ihren Vorstellungen über den Werdegang zu inspirieren. Kommen junge Menschen zu spät mit solchen Vorbildern in Kontakt, dann haben sich die Pfade bereits etabliert. Eltern und deren Kinder, die den gymnasialen Weg vorziehen, werden sich dann kaum mehr umstimmen lassen, auch wenn der Jugendliche dort vielleicht gar nicht am richtigen Platz ist.
Auch die Lehrbetriebe können SwissSkills Teilnehmende einsetzen, z.B. indem sie diese jungen Personen eine Gruppe von Lernenden leiten lassen und dadurch eine Vorbildrolle übernehmen.
Was motiviert junge Menschen an den SwissSkills teilzunehmen?
Unsere Studie zeigt, dass es nicht in erster Linie Hochglanzbroschüren oder andere Informationsmaterialein sind, die junge Menschen überzeugen. Sondern es sind die intrinsischen Motivatoren, die dazu führen, dass junge Menschen sich bei den SwissSkills anmelden. Das heisst, dass sie aus eigenem, innerem Antrieb handeln. Wobei es geschlechtsspezifische Unterschiede gibt: Frauen wollen vor allem den Teamgeist erleben und Männer reizt der Wettbewerb.
Wenn intrinsische Motivatoren so wichtig sind, was heisst dies für SwissSkills und die Berufsverbände? Können Sie trotzdem etwas tun, um junge Menschen zu motivieren an den SwissSkills teilzunehmen?
Das bedeutet, dass man mehr auf den direkten Kontakt setzen muss. Intrinsische Motivation entsteht durch einen Austausch z.B. mit dem Berufsbildner bzw. der Berufsbildnerin, die einer jungen Person sagen: «Ich weiss, dass du dies kannst und ich möchte, dass du es probierst».
Natürlich kann man auch durch Beeinflusser/innen an jungen Menschen gelangen. Dies sind insbesondere die Eltern aber auch die Berufsbildenden und die Fachlehrkräfte. Während man Jugendliche mit einem Flyer oder Massenmail kaum überzeugen kann, sind es vor allem auch die Eltern, die auf solche Angebote aufmerksam werden.
Können Sie eine Aussage darüber machen, wie junge Menschen von den SwissSkills erfahren?
Im Rahmen unserer Studie haben wir festgestellt, dass Jugendliche meist erst am Ende ihrer Berufslehre von den SwissSkills erfahren. Meines Erachtens ist dies viel zu spät. Jugendliche sollten die SwissSkills bereits am Anfang des Berufswahlprozesses kennenlernen.